Rapper mit einem schwierigen Verhältnis zu Geld und Sexualität geben den Ton an. Doch es brodelt im Untergrund. Hip Hop bekennt zunehmend Farbe und bietet konservativen Werten die Stirn. Eine, die sich um Diversität bemüht, ist Haszcara. Auf ihrer "Hautnah EP" verlässt sie sich aber nicht nur auf die Inhalte. Auch musikalisch legt sie noch eine Schippe drauf.
"Wenn eine Lady am Mic ist, lass ihr den Vortritt und du hast etwas für die Quote getan", rappt die Berlinerin auf "Schon Lange". Während Unbelehrbare reflexartig irgendetwas von "nur die Skills sollen darüber entscheiden" brabbeln, benennt Haszcara das eigentliche Problem: Rapperinnen werden anders wahrgenommen als männliche Kollegen. Nicht ohne Grund kommt kaum eine Review zu Cardi B ohne einen Vergleich mit Nicki Minaj aus. "Wir sind alle MCs, aber unterschiedlich", heißt es in "Schon Lange", bevor Haszcara eine lange Liste mit Hip Hop-Aktivistinnen herunter rattert. Coole Menschen schreiben mit und beginnen anschließend zu diggen.
Wie erfrischend Haszcaras Perspektive auf die Dinge ausfällt, zeigt der Titelsong. Hier stürmt nicht der Mann die Bühnen des Landes, sondern die Frau. Doch Haszcara betont, dass Fame und Spotlight keine Rolle spielen. Der Typ, der zuhause wartet, muss sich keine Sorgen machen: "Denn immer, wenn sie bei dir ist / siehst du, wie verknallt sie ist / sie nimmt deine Hand und die Kälte geht / sieht dich einfach an und die Welt bleibt stehn."
Verglichen mit der "Roter Riese EP" von 2017 und dem Debütalbum "Polaris" von 2018 zieht Haszcara musikalisch das Tempo an. Sie wechselt die Flows alle paar Takte, verfällt beim Vortrag oft ins Melodische und rappt bilingual. Die Beats, von denen Haszcara selbst einen produziert hat, verbinden den Zeitgeist mit klassischen Boom-Bap-Elementen. Trockene Streicher- und Piano-Samples treffen auf zitternde Hi-Hats.
Der größte Kritikpunkt an "Hautnah" lautet: die Kürze. Mit lediglich vier neuen Songs erscheint die Rapperin auf zu wenigen Radaren. Presse und Rap-Fans warten vermutlich auf ein zweites Album, bevor sie sich mit der Künstlerin eingehend beschäftigen. Das wäre jedoch schade. Haszcara nutzt trotz der Knappheit eine breite Skill-Palette, die manch ein Kollege in seiner kompletten Karriere vermissen lässt.
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