Man muss schon die Eier dazu haben oder ein kleines bisschen durchgeknallt sein. Oder beides. Warum sonst käme man als Musiker auf die Idee, das drittmeistverkaufte Album der Musikgeschichte zu covern?
The Flaming Lips hatten die Eier und waren durchgeknallt genug, um sich an Pink Floyds "The Dark Side of The Moon" zu wagen. Zusammen mit den Experimental-Rockern von Stardeath & White Dwarfs, Henry Rollins und Peaches haben sie den 1973er Psych-Rock-Klassiker neu eingespielt.
An "The Dark Side Of The Moon" kommt niemand vorbei. Jeder Musikliebhaber besitzt das Album in mindestens einem der mittlerweile verfügbaren Aggregatzustände und kann das Tracklisting fehlerfrei herunterbeten, wenn er nachts um drei Uhr geweckt wird. Jeder Musiker hat mindestens schon einmal versucht, "Money" oder "On The Run" nachzuspielen oder das Album parallel zum Zauberer von Oz zu hören, um die angebliche Synchronität zum Film zu finden. Jedes Kind sollte von der Existenz dieses Albums wissen, das zusammen mit Michael Jacksons Thriller und AC/DCs "Back In Black" mit 45 Millionen Exemplaren zu den meistverkauften Alben der Musikgeschichte zählt.
So weit, so gut. Nun kommen also die Flaming Lips daher, suchen sich ein paar befreundete und verwandte Musiker und wagen sich an die unantastbaren und heiligen 42
Minuten und 59 Sekunden Kulturgeschichte. Der Grat, auf dem sie wandern, ist verdammt schmal. Die gute Nachricht: Die Lips und Freunde versuchen nicht, Pink Floyd zu übertrumpfen. Sie wollen nicht besser sein, sondern dem Meisterwerk den Respekt zollen, den es verdient und die ein oder andere Innovation beisteuern.
Somit entpuppt sich die Neuinterpretation als erfrischend kompetent und mutig. Auf den ersten Blick ist vieles ähnlich: Der in die Spektralfarben aufgefächerte Lichtstrahl des Plattencovers, das Pochen des Herzschlags am Anfang von "Speak To Me/Breathe" und am Ende von "Eclipse", die markanten gesprochenen Passagen - ja sogar der letzte Satz des Albums stimmt überein: "There is no dark side in the moon, really; (as a) matter of fact it’s all dark." So erweist sich die Suche nach Übereinstimmungen und Abweichungen als wahrer Erlebnispark für Musik-Geeks.
Wer genauer hinhört, bemerkt die kleinen aber feinen Unterschiede, die dem Album erst seine Berechtigung geben. Der Herzschlag ist ein eher kränkelnder, die Uhren und Wecker in "Time" werden durch rhythmisches Husten und schweres Atmen verstärkt, Gitarrensoli kommen an manchen Stellen dazu, an anderen werden sie entfernt. Die Basslinie in "Breath" ist aggressiver als beim Original und dreckiger und funkiger in "Money".
"Money" wird auch bei den Flaming Lips zum wichtigsten Song des Albums - es dient als Aushängeschild für die Weirdness, die sie überall hineinstreuen. Aber was haben sie aus dem Song gemacht? Geflüsterter und digitalisierter Gesang erinnern an Roboter, die psychedelische Musik machen. Irgendwie komisch, aber irgendwie gut. Auch "Eclipse" klingt mehr wie ein Flaming-Lips-Song, ohne jedoch zu viel PinkFloydness zu verlieren.
War es nötig, "The Dark Side Of The Moon" noch einmal aufzunehmen? Who cares?! Die Flaming Lips haben dem Album 37 Jahre nach dessen erscheinen noch einmal neues Leben eingehaucht. Sie haben dieses Meisterwerk mit ihrer eigenen musikalischen Handschrift versehen. Jungen Hörern ermöglichen sie damit einen Zugang zu Pink Floyd, alteingesessenen Fans bieten sie eine neue Perspektive.
© Laut