Ein weißer Anzug eignet sich recht schlecht für ausgedehnte Trecking-Touren. Zahlreiche Wolkenbrüche und Abkürzungen später scheint der Ärger vorprogrammiert: Mal davon abgesehen, dass die Optik zu einem tristen Look verkommt, steigen die Reinigungskosten in nervlicher und finanzieller Hinsicht ins Unermessliche.
Dabei vergisst man den Exotenbonus, den die durch Matsch und Eleganz synthetisierte neue Kreation zweifelsohne besitzt, auch wenn die Schar der geschmacklich sattelfesten Liebhaber ausgesprochen klein ist. Einen ähnlich schmuddeligen Anzug kleidet im übertragenen Sinne die Silversun Pickups, eine aus Los Angeles stammende Indierock-Kappelle.
Noise meets Pop; was die Genre-Vorreiter My Bloody Valentine teilweise noch trennten, diffundiert bei den Pickups zu einer einzigen Klangkulisse. Dennoch erscheint die Band auf den ersten Blick reichlich unspektakulär. Einzig Drummer Christopher Guanlao reißt insbesondere sich desöfteren vom Hocker, da sein Drumset ziemlich in die Höhe ragt und dessen Bearbeitung reichlich Sprungkraft erfordert.
Der Rest verschanzt sich mit einem gewaltigen Arsenal an Effekt-Pedalen vor den Verstärkertürmen - die Schublade Shoegazing beschreibt den Stil wohl am treffendsten. Kollektiv ergibt dies ein Abdriften in Sphären, die der Albumtitel in dialektischer Manier mit einschließt: Ohnmacht, Ekstase, Entrücktheit sind untrennbar miteinander verwoben.
College-Pop mit einem Schuss Düsternis und Melancholie; wem das zu unkonkret klingt, sei folgendes Gedankenspiel ans Herz gelegt: Pumpkins-Chef Corgan steigt bei Ash ein, die wiederum auf Effektbrettwahnsinn umgestiegen sind. Dahinter bezieht eine Frequenz-Armee Stellung, gestaffelt in monströse Gitarrenwände, sinfonische Streicher Mahlerschen Ausmaßes und ein vielfältiges Soundspektrum.
Die Streicher hobeln unbarmherzig und stumpf die Gitarrenriffs mit, nur um im nächsten Moment zur Tapete zu erstarren und süßlich schimmernd die Vocals mit ihrer Harmonie zu umgarnen. Die Veränderungen zum Vorgänger sind minimal und eher im Detail auszumachen. Der Sound klingt voluminöser, die Arrangements fallen ein wenig kompakter aus.
Die Musiker hingegen sind die selben: Brian Aubert frönt dem Effektbrettwahnsinn und schwebt mit seiner androgynen Stimme förmlich über dem Instrumentarium. Tastenmann Joe Lester surft auf seinem Synthesizer über die monströsen Orchester-Wellen und Lady Monninger spielt ihren Bass zwischen plump und filigran und setzt nebenher Auberts textlichen Beschreibungen von Weltschmerz und Co. mit schönen Backings die Krone auf.
"Growing Old Is Getting Old" offenbart en detail die Finesse, mit der die Band aus L.A. arbeitet: Kleine harmonische Schlenker, oftmals nur an einem Ton festzumachen, subtil, vertrackte Rhythmen und eine fantastische Klanglandschaft; bedrohlich, herrlich, herrisch, gezähmt von populären Elementen. Hier vermischen sich klassisch-sinfonische, latent jazzige, vordergründig poppige und dramatisch dem Musiktheater entlehnte Elemente zu einer wahrhaften Wall Of Sound.
Allenfalls findet eine Variierung in Tempo und Tonart statt. Das ist jedoch nicht negativ gemeint: Denn diese Arbeitsweise garantiert Kontinuität. Und von der Kontinuität einer bestimmten australischen Hardrock-Formation sind die Pickups noch meilenweit entfernt, tragen sie ihren Schmuddel-Anzug mit Eleganz ja auch erst zum zweiten Mal und wirken wie auf "Carnavas" ungezügelt und spannend, neben der herkömmlichen musikalischen Abendgarderobe.
© Laut