Nein, La Spagnoletta ist nicht der Name eines Komponisten, sondern bezeichnet das erste Stück auf diesem Album, das aus dem ausgehenden 16. Jahrhundert stammt, und von dem sich viele Musiker zu Fantasien, Partiten, Capriccios, Arien und vielen anderen damals beliebten Gattungen haben inspirieren lassen. Das vorliegende Album beginnt mit Giovan Battista Ferrini (1601-1674) und seiner Tastata per cembalo La Spagnoletta, gefolgt von einem der „eingängisten“ Stücke, das sich auf diese Quelle bezieht, The Old Spagnoletta de Giles Farnaby (1563-1640). Frescobaldi schließt sich mit seinem Capriccio VI sopra la Spagnoletta an, während von Johann Speth (1664-1719) die Partite divers sopra la Spagnioletta und von Bernardo Storace (1637-1707) die Aria sopra la Spagnoletta stammen.
Wie man sieht, war diese Melodie eine der größten melodischen Inspirationsquellen ihrer Zeit, ein wenig wie La Folia, die bis heute an die 500 Komponisten inspiriert hat. Dass La Spagnoletta nicht ganz weit verbreitet wurde, liegt vermutlich an ihrer melodischen Komplexität… Cécile Mansuy spielt auf einem speziellen italienischen Cembalo mit einer „kurzen Oktave“ (mit einem von der normalen Klaviatur abweichenden, verkürzten Notenschema in der tiefsten Oktave, das selten gespielte Töne weglässt) und gebrochenen Obertasten, nach dem Vorbild verschiedener Instrumente vom Anfang des 17. Jh. Was sind nur gebrochene Obertasten? Es handelt sich um Klaviaturen mit zusätzlichen Tasten, die eine Unterscheidung von Dis und Es einerseits und Gis und As andererseits ermöglichen – auf dem modernen Klavier klingen beide Töne gleich und besitzen ein und dieselbe Taste. Auf einem Cembalo mit gebrochenen Obertasten kann man mit der unterschiedlichen Funktion dieser beiden Töne spielen, denn in der akustischen Realität sind sie nicht genau gleich: Dis ist um einen 9tel Ton höher als Es, was für die anderen Halbtöne auch zutrifft. Dies ermöglichte zu einer Zeit, in der das wohltemperierte Klavier noch nicht entwickelt war, den Eindruck einer reineren Intonation. © Marc Trautmann/Qobuz