Behauptet man, Vincent Peirani hätte die Welt des Jazz-Akkordeons wachgerüttelt, so ist das eine ziemliche Untertreibung… 2015 befreite sein Album Living Being das Schifferklavier einmal mehr von den alten Klischees. „Ich wollte meine eigene Gruppe gründen, innerhalb der ich mich in einem vertrauten Rahmen befinden wollte“, erklärte damals der Akkordeonist. „Ich wollte das Gefühl haben, eine ‚Familie‘ um mich zu haben. Deshalb wandte ich mich an vier Musiker, langjährige Freunde“. Peirani wandte sich natürlich an Emile Parisien, seinen Partner beim Duo Belle Epoque, und außerdem an den Bassisten Julien Herné, den Schlagzeuger Yoann Serra und den Keyboarder Tony Paeleman… Mit Peiranis Kompositionen und Coverversionen von Michel Portal und Jeff Buckley wurde dieses Living Being zu einem unglaublich organischen Labor. Zu einem Spielplatz, auf dem diese jungen Musiker den manchmal zwischen Komposition und Improvisation, klassischen Harmonien und Jazz-Rhythmen bestehenden Graben überbrücken. Vincent Peiranis Kompositionsweise kann ergreifend und voller ausgelassener Fantasie sein, aber auch überraschend und unergründlich. Der Akkordeonist gehört einer Generation an, die sich an so vielen musikalischen Quellen labt, sodass der Grund für diese Komplexität verständlich scheint. Das drei Jahre später zusammen mit denselben Weggefährten entstandene Living Being II (Night Walker) ist ebenfalls verdammt komplex. Auch hier frönt Peirani seiner Leidenschaft und bietet ein sehr kontrastreiches Repertoire, indem er neben seinen acht Kompositionen vier Coverversionen unterbringt: Bang Bang von Sonny Bono, What Power Art Thou, einen Auszug aus Purcells King Arthur und zwei Hits von Led Zep, Kashmir und Stairway To Heaven. Seine Methode, mit der er diese übrigens atypischen Neufassungen erarbeitet, ist faszinierend. Genauso wie die Art, mit der sich sein Instrument die Partituren von Jimmy Page und Robert Plant aneignet. Living Being II (Night Walker) ist vor allem der Beweis für eine geglückte Gruppe, deren Geheimnis in der Komplizenschaft liegt. Mehr gegenseitige Übereinstimmung wäre nicht möglich. © Max Dembo/Qobuz