Die vorliegende neue Aufnahme von Massenets Oper wurde von Chandos während der Proben und der zwei Konzerte in der Thomson Hall in Toronto im November 2019 aufgenommen. Dadurch erhielt das Werk den Reiz eines großen, in orchestrale Sinnlichkeit getauchten Oratoriums. Während Thaïs auf der ganzen Welt durch die Meditation für Solo-Violine bekannt ist, das Musikpavillons und Orchestern in großen Hotels und Kurorten goldene Zeiten bescherte, wird die Oper heute kaum noch aufgeführt. Hier gibt es keine „italienischen" Arien sondern lange deklamatorische Passagen, die Debussy für seine acht Jahre später uraufgeführte Pelléas in Erinnerung behalten hat. Die Hauptpersonen sind bei der vorliegenden neuen Aufnahme zweifellos das Toronto Symphony Orchestra und der Toronto Mendelssohn Choir. Sir Andrew Davis am Dirigentenpult schöpft die klanglichen und expressiven Ressourcen voll aus, wobei er die Solisten hinsichtlich der klanglichen Ausgewogenheit etwas vernachlässigt. Der schöne Ton und der intensive, aber nie sentimentale Ausdruck des Konzertmeisters Jonathan Crow in der berühmten Meditation, die eigentlich nur ein Zwischenspiel im Ersten Akt ist, sind besonders hervorzuheben. In dieser orientalisierenden Geschichte über den Konflikt zwischen Heidentum und Christentum in Alexandria im 4. Jahrhundert glänzen der Bariton Joshua Hopkins mit kraftvollem Timbre in der Rolle des Athanael, die Sopranistin Erin Wall als vorbildliche Thaïs und der Tenor Andrew Staples, der den reichen Freund Athanaels, Nicias, darstellt. Die übrige Besetzung ist auf ebenbürtigem Niveau. Sir Andrew Davis ist mit diesem Werk bestens vertraut. Er hat es bereits bei mehreren Gelegenheiten dirigiert, insbesondere auf den Festivals von Edinburgh und Melbourne mit derselben Erin Wall, die er als seine "Traum-Thaïs" bezeichnet. © François Hudry/Qobuz