Dieses neue Album widmet die britisch-vietnamesische Pianistin Tra Nguyen den Werken für Klavier und Orchester von Joachim Raff und fügt damit zu ihren zahlreichen Einspielungen der Werke dieses ziemlich vernachlässigten Komponisten einen weiteres Album hinzu. Raff ist vor allem dafür bekannt, dass er in den 1850er-Jahren als Sekretär – in Wirklichkeit als eine Art Faktotum – für Liszt gearbeitet hat. Es wird vermutet, dass die Instrumentierung so mancher großer Liszt’scher Partitur aus der Feder von Raff stammt… Übrigens kamen die beiden Persönlichkeiten nicht sehr lange miteinander aus und so ging Raff bald seiner Wege, und widmete sich seiner eigenen Karriere als Komponist und Leiter des Konservatoriums in Frankfurt. Tra Nguyen stellt uns hier zwei der insgesamt drei Werke von Raff für Klavier und Orchester vor. Die Ode au printemps wurde 1857 geschrieben, nur wenige Monate nachdem er endlich Weimar und Sie-wissen-schon-wen verlassen hatte: ein sehr feines, luftiges Stück, auch wenn dessen klare Aussage eine enorme Kunstfertigkeit in Kontrapunkt und Polyphonie verbirgt – für die Raff ein großes Faible hatte. Es folgt das Konzert aus dem Jahr 1873, ein reifes Werk, das er von Bülow gewidmet hat, der übrigens noch im selben Jahr bei seiner Uraufführung den Klavierpart spielte. Das Album schließt mit einer diskografischen Weltpremiere, dem Caprice sur des thèmes du Roi Alfred, wobei es sich bei besagtem König um eine Oper von Raff aus den 1850er-Jahren handelte. Raff verdiente lange seinen Lebensunterhalt, indem er Klavierfantasien über Motive aus berühmten Opern – seinen eigenen, aber vor allem aus denen der anderen – arrangierte, die in einer Serie unter dem Namen Salonoper veröffentlicht wurden. Jedoch stellt sich die Frage, welcher Salonpianist, also Amateur, wohl die von diesem Kunstwerk geforderte, unglaubliche Virtuosität aufbringen konnte. Tra Nguyen jedenfalls meistert sie mit Bravour. © SM/Qobuz