Tan Dun, heute Komponist von Weltruf (bei einem breiten Publikum, denn er hat einige berühmte Filmmusiken geschrieben wie etwa zum berühmten Tiger and Dragon), ist es gelungen, die Grenzen der klassischen abendländischen Musik zu überschreiten. Er hat nicht nur seine eigenen östlichen Traditionen mit allen denkbaren modernen und alten Musiksprachen verbunden, sondern auch seine ganz persönliche Vorstellung vom Kontakt zwischen dem Musiker und dem Zuhörer eingebracht – wie in seinen berühmten Stücken Orchestral Theatre, in denen das Publikum oft gefordert wird, sich in die Klangstrukturen einzufügen. Dadurch erlaubt er sich gewissermaßen, neue imaginäre Traditionen zu erfinden, wie Bartók es zu seiner Zeit getan hat. Ein anschauliches Beispiel dafür sind die beiden Sätze des Violinkonzerts Rhapsody and Fantasia, die auf ein althergebrachtes Thema aus der Oper in Peking aufbauen und gleichzeitig (mit unendlicher Kunstfertigkeit) Klänge aus dem Hip-Hop und anderer urbaner Musik mit einschließen. Das Violinkonzert Fire Ritual („ein musikalisches Ritual für Kriegsopfer“) wurde eigens für die norwegische Geigerin Eldbjørg Hemsing komponiert, die es auf dem vorliegenden Album unter der Leitung von Dan Tun persönlich interpretiert. Dem Hörer wird es vielleicht nicht gleich beim ersten Hören auffallen: Er stelle sich aber vor, dass ein Ensemble aus neun Blasinstrumentalisten im Publikum verteilt ist, während der Rest des Orchesters auf der Bühne bleibt; die beiden Instrumentalgruppen spielen ein Frage- und Antwortspiel während die Geigerin die Rolle einer Zeremonienmeisterin oder Schamanin innehält. Und dazu die vielen Klänge, die wahrhaftig nicht zu dem gewohnten Orchesterklang gehören! Das dürfen Sie sich nicht entgehen lassen. © SM/Qobuz