Gleich bei seinem Erscheinen 1993 hat dieses Album in der Presse und in den Medien großes Aufsehen erregt. Es erschien kurz nach dem großen Erfolg des Films Die siebente Saite (Tous les matins du monde) von Alain Corneau mit Jordi Savall, nach dem gleichnamigen Roman von Pascal Quignard, der von Monsieur de Sainte-Colombe (Jean-Pierre Marielle) und Marin Marais (Gérard Depardieu), zwei große Gambisten des 17. Jh. handelt. Die Filmmusik, die dem großen Gambisten des 20. Jh., Jordi Savall, schnell und leicht aus der Feder geflossen ist, hat ihm den César der besten Filmmusik, den Hauptpreis der französischen Académie Charles Cros und den Titel Solist des Jahres bei den Victoires de la Musique eingebracht. Dieser großartige Erfolg hat das schlichte und intime Repertoire der Viola da Gamba an die Spitze der französischenTop 50-Hitparade gebracht. Die Anthologie der Cantigas de Santa Maria stellt eine der umfassendsten Sammlungen dar, die uns aus dem 13. Jh. überliefert sind. Diese mystischen, aber nicht für die Liturgie gedachten cantigas (einstimmige spanische Gesänge), zum Teil vom König von Kastilien, Alfons der Weise (Alfonso el Sabio), an der Spitze einer Künstlerwerkstatt zwischen 1250 und 1280 komponiert, waren auf der ganzen spanischen Halbinsel bis ins 15. Jh. sehr populär. Diese regional inspirierte Musik naiver Marienverehrung ist durch zahlreiche Melodien aus dem arabischen und jüdischen Kulturkreis, durch ihren Modus und Rhythmus geprägt. Das Gesamtwerk umfasst mehr als 400 Gesänge in Form von 4 sich mehr oder weniger überschneidenden Manuskripten.
Einige Pioniere, unter ihnen René Clemencic, Thomas Binkley (bereits in Zusammenarbeit mit Montserrat Figueras), Esther Lamandier oder auch Joel Cohen hatten den Weg bereits geebnet. Jordi Savalls quasi wissenschaftliche Arbeit hat jedoch diese freudige und inbrünstige Musik dank Savalls farbiger Instrumentationen sowie dank seiner Sänger (vor allem die großartige Montserrat Figueras) und Musiker über Nacht beliebt gemacht. Sie verleihen dieser Musik, die sich im Grenzbereich von Stilen und Völkern bewegt und mit an der Entstehung unserer westlichen Kunstmusik beteiligt war, ihre außergewöhnliche Vitalität. Die Vertonungen der Texte, die die Güte und Wundertätigkeit der heiligen Jungfrau preisen, suchen in gleichem Maße zu gefallen als auch zu berühren, und erreichen zum Teil eine große lyrische und mystische Dichte.
Die Vorgehensweise von Jordi Savall, die Programme seiner Konzerte und CDs machen die Musik zu einem Instrument der Mediation für eine Verständigung zwischen Völkern und Kulturen. Seine Arbeit wird weltweit immer wieder ausgezeichnet, wie zum Beispiel in Louvain, wo er von der Katholischen Universität die Ehrendocktorwürde erhielt oder bei der UNESCO, von der er zum Künstler für den Frieden ernannt wurde.
Die Neuauflage dieser berühmten Aufnahme wurde mit großer Sorgfalt realisiert, dank einer Optimierung und einem Multi-Kanal-Remastering, die der Klangqualität der historischen Instrumente und der räumlichen Verteilung des Ensembles in höchstem Maße gerecht wird. © François Hudry