Die Rosenkranzsonaten von Heinrich Ignaz von Bibern (1644-1704), unterteilt in 15 Sonaten für Violine und Basso continuo sowie der Passaglia für Violine solo, sind Teil einer Schaffensphase des 17. Jahrhunderts, die sich besonders durch ihre Kühnheit, ihre Experimentierfreudigkeit und der Entdeckung und Vertiefung einer schwierigen Technik auszeichnet. Diese, durch die instrumentellen Fortschritte, möglich gemachte Bewegung wurde direkt nach Italien exportiert und fand mit Schmelzer und später mit Westhoff und von Bibern einen sehr geeigneten Mutterboden in Zentraleuropa. Die Rosenkranzsonaten erfordern von dem Solisten Mut zur Abstraktion: denn die meisten Sonaten wurden nach der Skordatur komponiert. Dies bedeutet, dass eine oder mehrere Saiten der Violine von der Normstimmung abweichen. Die Partitur stimmt somit nicht mit dem Gehörten überein, da die abweichenden Saiten die Übertragung übernehmen. Ganz nach dem Willen des Komponisten klingen einige Noten folglich normal, andere wiederum weichen ab. Demnach muss der Instrumentalist dieselbe Mühe aufbringen, die Sie aufbringen müssten, wenn Ihre Computertastatur andere Buchstaben schreibt als sie sollte, Sie aber vorgeben müssten es sei nichts. Mit dem Zweck, die Resonanz des Instruments zu verändern, verschiedene Akkorde zuzulassen und andere Leersaiten als gewohnt zu nutzen. Von Bibern bietet uns wirklich unberechenbare Musik, unfassbare Stimmhaftigkeit, absurde Harmonien, eine beeindruckend harmonische und melodische Entwicklung, was ihn aus der Welt des Barock (1670), die nicht viel zu bieten hatte, besonders hervorgehoben hat. So kam es, dass das Werk in Vergessenheit geriet und erst zu Anfang des 19. Jahrhunderts eine eklatante Wiederbelebung erfuhr. Nach Interpretationen von Mozart, Bach, Vivaldi und einigen anderen wichtigen Komponisten des 17. und 18. Jahrhunderts, alle von Erfolg und Preisen gekrönt, enthüllt die Starviolinistin hier die vergrabenen Schätze dieses Meisterwerks. Umgeben von brillanten Instrumentalisten-Freunden (u.a. Marcin Świątkiewicz am Klavier, der sich in einem exzellenten Opus von Müthel, vor einigen Monaten erschienen bei BIS, zu erkennen gibt; der Gambist Jonathan Manson, ein regelmäßiges Co-Mitglied der Violinistin und Trevor Pinnock), nutzt Podger vor allem die erzählte Poesiesammlung, indem sie die Sätze mit einer großen Eleganz und einer betörenden Stimmhaftigkeit filtert. Ein wirklich mystisches Erlebnis! © Qobuz