Der deutsche Komponist Rudi Stephan hat ein wirklich trauriges Schicksal erlebt: Nach sehr schnellen, ersten Erfolgen kämpft er im Krieg und stirbt an der Front im Jahre 1915 und hinterlässt nur eine sehr kleine Anzahl an Werken. Und als ob das nicht schon genug Unglück wäre, werden mehr oder weniger alle seiner Manuskripte, die bis dahin noch nicht veröffentlicht wurden, unter den Bomben im Jahre 1945 zerstört. Wir werden also niemals erfahren, was er noch hätte werden können - ohne Zweifel einer der großen Komponisten des XX. Jahrhunderts neben Strauss, in dessen spätromantische Fußstapfen er tritt, und Schönberg, dessen erste Schritte in der atonalen Welt ihn sehr zu faszinieren scheinen, noch was er wirklich während seiner Lebenszeit geschaffen hat. Das Album zeigt das Gesamtwerk seiner Lieder für Sopran (hier gesungen von Tehila Nini Goldstein) und für Bariton (Hanno Müller-Brachmann), die er zwischen 1905 und 1914 geschrieben hat: Wahre Perlen voll von Einfallsreichtum, Kühnheit und einer gewissen Modernität, die man wirklich entdecken sollte. Als Einleitung hören wir Groteske für Geige und Klavier von 1911, in dem man einige Parallelen mit Bartók erkennen kann. Der gesangliche Höhepunkt des Albums ist ohne Zweifel die prachtvolle Ballade Liebeszauber aus dem Jahre 1913, eigentlich für Bariton und Orchester gedacht, hier aber für ein Streicher-Ensemble umarrangiert. Und zum Abschluss haben wir noch die außerordentliche Musik für sieben Streichinstrumente von 1911, hier mit zwei Geigen, einer Bratsche, einem Cello, einem Kontrabass, Klavier und Harfe. Dieses Werk überzeugt den Zuhörer von der Annahme, dass Stephan wirklich auf dem Weg dahin war, zu den Größten gehören. © SM/Qobuz