Lange Zeit galt die Viola da gamba im Vergleich zum Violoncello als das vornehmere Instrument, zumal in Frankreich, wo sie in der Zementierung des Nationalstils unter Ludwig XIV. eine zentrale Rolle zugewiesen bekommen hatte. Doch im ersten Drittel des 18. Jahrhunderts war der Siegeszug italienischer Musik und damit auch des Violoncellos nicht aufzuhalten, und unter französischen Komponisten entbrannte ein heftiger Streit darüber, ob man sich an die Tradition klammern oder dem Neuen gegenüber aufgeschlossen zeigen solle. 1740 veröffentlichte Hubert Le Blanc die Streitschrift „Défense de la basse de viole contre les enterprises du violon et les prétentions du violoncelle“, doch da war die Sache faktisch schon längst erledigt: Komponisten wie Joseph Bodin de Boismortier hatten dem Violoncello den Weg in die französische Kammermusik geebnet, ohne die Gambe als altmodisch abzustempeln.
Diesen Prozess beleuchtet die vorliegende Doppel-CD. Im ersten Teil stellt Jean-Louis Charbonnier die Suiten für Gambe und Basso continuo op. 31 (1730) vor; im zweiten Teil widmet sich Claire Giardelli den Sonaten op. 50 (1734), die eigentlich als Duette für Celli oder Gamben oder Fagotte gedacht sind, hier aber zusätzlich von einem Cembalo begleitet werden. In der sechsten Sonate, die als einzige einen Basso continuo vorsieht, wählt Giardelli die bizarre Kombination von Sologambe, Solocello, Fagott und Cembalo. Interpretatorisch ist alles in bester Ordnung, minimale Ungenauigkeiten im Zusammenspiel stören den positiven Gesamteindruck nicht, allerdings separiert die Aufnahmetechnik die einzelnen Instrumente so stark, dass kein homogener Gesamtklang entsteht.
© Hengelbrock, Matthias / www.fonoforum.de